Auf Reisen kommt man nicht drum herum, anderen zu vertrauen und zu probieren, irgendwo Halt zu finden. Manchmal fühlt man sich wie eine herumrollende Kugel, die nirgendwo genau hineinpasst und von allen hin und her gestoßen wird. Umfallen tut sie aber nie. Sie rollt immer weiter und findet ihren Weg.
Nicht immer waren mir alle Menschen, denen ich begegnet bin, sofort sympatisch. Ich habe immer probiert einen guten Weg zwischen meiner Naivität und meinem Misstrauen zu finden, besonders als alleinreisende Mädel sollte man immer achtsam sein. Auf Reisen lernt man aber irgendwann auch, die Menschen einzuschätzen. Plötzlich weiß man, dass man die schlechten Anmachsprüche des quirligen Couchsurfing-Gastgebers nicht ernst nehmen sollte (er tut es ja selbst nicht), die Gastmutter sich genauso Gedanken macht, ob sie alles richtig macht und meine 7 Mitbewohner im Schlafsaal schon längst eingenickt sind und nicht daran denken, meine Tasche zu klauen. Mag für den ein oder anderen naiv und leichtgläubig sein – für mich aber bisher völlig in Ordnung und eine gute Art zu leben 🙂
Während des Reisens merkt man schnell, dass nicht nur Fremde zu Freunden werden, sondern auch Freunde zu Fremden.
Es kam mir so vor, als gäbe es am anderen Ende der Welt viel mehr Menschen „die so ticken wie ich“. Die einfach ins Leben rennen, hinfallen und gleich wieder Anlauf nehmen. Einer schwimmt als Hobbie im Eiswasser, ein anderer wohnt für 2 Monate bei den Ureinwohnern auf einer Inselgruppe Fijis, wieder ein anderer hat sich 55 Rosen als Symbol für seine Tochter auf’s Bein tattowieren lassen und letzten Endes ist man immer wieder überrascht über all die verrückten, bunten Geschichten, die man zuhören bekommt. Langsam beginnt man, sich selbst nicht mehr so ernst zu nehmen und die eigenen Eigenarten nicht mehr zu verstecken. Man findet schließlich immer jemanden, der noch eine verrücktere Story zu erzählen hat. Und man beginnt zu akzeptieren und zu tolerieren. Alles, was einem vorher seltsam oder irre vorkam, ist jetzt einfach anders, aber nicht unbedingt negativ. Schritt für Schritt beginnt man Menschen und Dinge mit anderen Augen zu sehen. Wenn jemand jeden Tag Couchsurfer in seinem Haus haben mag, warum nicht? Wenn jemand 2 Jahre lang durch Australien reist und immer noch bleiben will, obwohl er noch keine Ausbildung oder Master hat, warum nicht? Wenn jemand den Geburtstag 2 Tage zu früh feiert, warum nicht? Wenn jemand immer barfuß läuft, warum nicht?
Die 9 Monate in Australien haben mir zum Beispiel gezeigt, dass man Normen loslassen muss bzw. kann, Damit meine ich die festgesetzte Denke, die oft in uns steckt. Ich habe aber auch gelernt, zu akzeptieren, wenn jemand die klassische Lebensweise bevorzugt: Haus, Familie, festen Job. Völlig okay! Jeder wie er mag!
Jeder Mensch ist auf seine eigene Weise irgendwie besonders und hat eine Geschichte zu erzählen. Man kann natürlich nicht jeden mögen, aber einen Versuch ist es wert: Schließlich kommt man nur einen Schritt weiter von der Einsamkeit weg, wenn man einem Fremden die Chance gibt, ein Freund zu werden.